Journalisten fragen manchmal, wieso ich mich als Wissenschafter für eine politische Initiative engagiere (im wissenschaftlichen Beirat der Gletscherinitiative).
Ich fühle mich manchmal wie auf der Titanic. Meine Kolleginnen und Kollegen der Naturwissenschaften haben erste Eisberge beobachtet, und berechnet, dass das Schiff, so schnell wie es fährt, bei einem grossen Eisberg nicht ausweichen kann. Ich habe die Fahrt des Schiffes analysiert und berechnet, dass es bei einer der Gefahr angemessenen Geschwindigkeit bloss eine Stunde später in New York eintreffen würde. Was sollen wir Wissenschafter tun? In unseren Kabinen bleiben und Berichte verfassen, in der Hoffnung, dass der Kapitän oder einflussreiche Passagiere sie lesen werden und danach handeln?
Ich verfasse schon seit über 20 Jahren Bücher, Artikel und Berichte zur möglichen und mittlerweile notwendigen Klimapolitik (1997: Buch über Umweltabgaben und die ersten Schritte der Schweizer Klimapolitik). Andere Klimaforscher tun es schon viel länger. Trotzdem passiert viel zu wenig.
Die Lage spitzt sich zu. In den 90. Jahren war noch die Rede von voraussehbaren Auswirkungen des Klimawandels in der Schweiz um 2070. Das Mitigationsziel war 2000 Watt Energie und 1 Tonne CO2 (Kohlendioxyd) pro Kopf am Ende dieses Jahrhunderts. Dann kamen der Hitzesommer 2003 und viele andere extreme Wetterereignisse, die die Naturwissenschafter davon überzeugten, dass der Klimawandel schon im Gang war, auch in der Schweiz. Laufend mussten sie zugeben, dass ihre mittleren Prognosen zu optimistisch waren, dass immer das schlimmere Szenario sich realisiert. Z.B.: die Gletscher und die Eischilder von Grönland und der Antarktis schmelzen viel schneller als erwartet. Auf die COP21 in Paris hin (2015) wurde das Emissionsziel von 1 Tonne CO2 pro Kopf auf 2050 vorverlegt, damit die globale Erderwärmung nicht 2° übersteigt. In Paris wurde dann entschieden, dass 2° Erwärmung noch zu viel sind für viele Lebensräume. Der 1.5° Bericht des IPCC von 2018 hat das Emissionsziel deutlich auf Null Emissionen spätestens in 2050 festgelegt. Dieses Ziel hat die Gletscherinitiative übernommen. Ich wäre nicht überrascht, wenn wir bald merken, sogar das genügt nicht, um grosse Gefahren abzuwenden. Einzelne Wissenschafter schreiben schon für 2025 ein totales Aussteigen aus der fossilen Energie vor.
Es muss viel mehr geschehen, um grosse Gefahren abzuwenden.
Wir haben die Wahl zwischen zwei Welten. Eine Welt, die aussieht wir die heutige, nur viel schlimmer was das Klima anbelangt. Etwa wie Australien in den letzten Wochen, wo extreme Überschwemmungen auf extreme Trockenheit und extreme Hitze mit extremen Waldbränden folgen. Und eine andere Welt ohne fossile Energie, in der wir frei von Luftverschmutzung leben, mit viel weniger Strassenlärm, in gut isolierten Gebäuden und überhaupt viel gesünder; eine Welt, wo viel weniger Reichtum in die Erdölländer abwandert und viel weniger Klimaflüchtlinge eine Zuflucht suchen. Ich wünsche meinen Kindern und Enkelkindern diese bessere Welt.