An der EPFL werden alternative Methoden mit Computersimulationen (in silico) oder mit Organoiden bzw. Zellkulturen (in vitro) bevorzugt eingesetzt aus ethischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen – wo immer dies möglich ist. Diese bieten ein grosses Potenzial, jedoch sind Tiere (in vivo) auch heute noch bei jenen Tests unverzichtbar, die den Organismus als Ganzes in seiner Komplexität betrachten. Zellen, Gewebe und Organoide können heute gezüchtet werden. Sie bilden jedoch nur teilweise ab, was im gesamten Organismus passiert. Nach erfolgreichen in vitro-Tests muss man auf zusätzliche in vivo-Testreihen zurückgreifen, um die aufgestellte Hypothese weiter zu bestätigen.
Obwohl die in der Forschung verwendeten Tiere nicht exakt dem menschlichen Körper entsprechen, eignen sie sich als zuverlässige Testmodelle. Tierversuche haben sich historisch bewährt, vor allem bei der Behandlung systemischer Erkrankungen, wie Krebs oder Infektionen (z. B. mit Coronaviren). Die biomedizinische Forschung braucht Tierversuche, um die Interaktionen zwischen Organen, chemischen Substanzen und anderen Faktoren besser zu verstehen.
Aus evolutionärer Sicht besteht zwischen Tier und Mensch eine gewisse Verwandtschaft. Deshalb sind viele biologische Strukturen und Prozesse vergleichbar. Es gibt jedoch auch signifikante Unterschiede zwischen den biologischen Spezies. Umso wichtiger ist es, das richtige Tiermodell für die jeweilige wissenschaftliche Fragestellung auszuwählen. Die Wissenschaftler haben die Wahl zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden und Konzepte, mit denen sie Tiermodelle gezielt an die jeweils untersuchte Fragestellung zur menschlichen Biologie anpassen können.
Mäuse sind aus mehreren Gründen die mit Abstand am häufigsten genutzten Labortiere in der Schweiz: Sie ähneln dem Menschen in vielerlei Hinsicht, sowohl genetisch als auch physiologisch. Es gibt bereits eine grosse Anzahl bewährter Krankheitsmodelle mit Mäusen. Auch ist ihre Generationszeit relativ kurz. Darüber hinaus werden Versuchsmodelle mit Mäusen fortlaufend an neue Erkenntnisse angepasst.
Wenn ein Tier auf natürlichem Wege dieselbe Art von Krankheit bekommen kann wie der Mensch, eignet es sich als direktes Modell. Ein gutes Beispiel sind Mäusestämme, die besonders anfällig für Diabetes sind. In anderen Fällen werden die Tiere genetisch so verändert, dass sie ähnliche Krankheiten wie der Mensch entwickeln, oder sie werden mit Erregern infiziert, die eine spezielle, auch beim Menschen vorkommende Krankheit auslösen. Versuchstiere, die gegen bestimmte Erkrankungen des Menschen immun sind, interessieren uns besonders, da sie wichtige Erkenntnisse für mögliche Behandlungskonzepte liefern.
Quelle: Reatch
Alle Tierversuche, die an der EPFL stattfinden, unterliegen der operativen Kontrolle des Zentrums für Phenogenomik (CPG). Das CPG stellt sicher, dass die Forschung mit Tieren im Einklang mit den gesetzlichen Anforderungen erfolgt und dass das Wohlergehen und Wohlbefinden der Tiere garantiert ist.
In der Schweiz müssen alle Tierversuche vom kantonalen Veterinärsamt bewilligt werden. Jeder den Behörden vorgelegte Genehmigungsantrag muss den Zweck des Experiments, die geplanten Versuchsverfahren, die Höchstzahl der betroffenen Tiere und den Schweregrad der Versuche an den Tieren detailliert darlegen.
Aus ethischen Gründen muss der Antrag die Unverzichtbarkeit der vorgeschlagenen Versuche begründen und somit eine Güterabwägung zwischen den bei dem Experiment zu erwartenden Erkenntnissen und der voraussichtlichen Not der Tiere ermöglichen. Deshalb müssen die Wissenschaftler immer auch die Notwendigkeit und Angemessenheit der geplanten Tierversuche aufzeigen.
Die Veterinärbehörden führen regelmässige Kontrollen der betreffenden Einrichtungen durch, um zu überprüfen, ob die Haltungsbedingungen der Tiere den Bestimmungen des Bundesgesetzes entsprechen und ob die Versuche wie vom kantonalen Veterinäramt genehmigt durchgeführt werden.
Nein, auf keinen Fall. Einerseits sind die Entwickler des Impfstoffs gegen das Coronavirus verpflichtet, Routine-Tests an Tieren durchzuführen, um sicherzustellen, dass der Impfstoff selbst nicht toxisch ist und aller Wahrscheinlichkeit eine Immunreaktion auslöst. Kein Impfstoff darf für Menschen verwendet werden, ohne zunächst an Tieren getestet worden zu sein. Tierversuche sollen dafür sorgen, dass Impfstoffe keine unerwünschten systemischen Wirkungen bzw. Nebenwirkungen haben. Der gegenwärtige Stand der Forschung erlaubt uns nicht, einen Impfstoff ausschliesslich an Zellen (in vitro) zu testen, um seine Wirksamkeit und Verträglichkeit für Menschen sicherzustellen. Dies wäre weder aus ethischer noch aus rechtlicher Sicht vertretbar.
Andererseits wären die Wissenschaftler ohne die grundlegenden präklinischen Forschungsarbeiten, die seit den 1970er Jahren durchgeführt werden, niemals in der Lage gewesen, mRNA-Impfstoffe zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie zu entwickeln.
Die Forscher erwarten, dass sie aus den Studien sowohl am Menschen als auch am Tier noch viele weitere Erkenntnisse über die Infektion gewinnen können und auf diesem Wege vermutlich auch lernen, die Funktionsweise der Impfstoffe noch besser zu verstehen.
Quelle: animalresearch.info, swissuniversities, speakingofresearch.com
Nein. Tierversuche für Kosmetika sind in der Schweiz tatsächlich verboten worden. Sie erfüllen die gesetzlichen Vorschriften für eine Genehmigung gemäss Art. 137 der Tierschutzverordnung (SR 455.1) nicht.
Darüber schreibt das Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (SR 817.0) vor: «Er (Der Bundesrat) kann das Inverkehrbringen kosmetischer Mittel, deren endgültige Zusammensetzung oder deren Bestandteile mit Tierversuchen getestet worden sind (…) einschränken oder verbieten».
Nein. Die EPFL beherbergt keine nichtmenschlichen Primaten auf ihrem Campus. Gelegentlich kommt es jedoch vor, dass Wissenschaftler für hochspezialisierte Forschungsprojekte, zum Beispiel auf dem Gebiet der Neurorehabilitation, Studien an nichtmenschlichen Primaten durchführen müssen. Diese Experimente werden in Spezialzentren durchgeführt, die eigens für Studien mit diesen Tierarten eingerichtet wurden.
Der Einsatz von Primaten in der Forschung unterliegt besonderen Beschränkungen. Die Arbeit mit Menschenaffen (wie Schimpansen) in der Forschung ist in der Schweiz verboten.
Ja. Insekten, wie Drosophila, oder Würmer, wie C. elegans, sind gängige Versuchsorganismen in der Entwicklungsbiologie und nicht durch die Tierschutzverordnung (TSchV) geschützt.
Allerdings sind in der Schweiz alle Tierversuche an Wirbeltieren, wandernden Zehnfusskrebsen (Dekapoden) und Kopffüssern (Cephalopoden), an unreifen Säugetieren, Vögeln und Reptilien ab dem letzten Gestationsdrittel bzw. der Entwicklungsphase vor dem Schlüpfen sowie an Fischen und Amphibien ab dem Stadium sich selbst ernährender Larven genehmigungspflichtig. Jedes durch das Gesetz geschützte Tier, an dem ein Versuch durchgeführt wird, erscheint in den jährlichen Statistiken des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen.
Bei der Entwicklung von Arzneimitteln werden ergänzend zu nicht-tierischen Methoden und Tierversuchen immer auch Tests am Menschen durchgeführt – in so genannten «klinischen Studien». Doch aus ethischen, rechtlichen und historischen Gründen sind Therapieversuche an Menschen erst dann erlaubt, wenn ihre Sicherheit zuvor in präklinischen Studien untersucht wurde. Dazu werden Tierversuche zusätzlich zu Computersimulationen, pharmakologischen Studien und Studien an Zell- und Gewebekulturen durchgeführt. Sie sind in erster Linie dazu da, mögliche unerwünschte Nebeneffekte frühzeitig festzustellen.
Auch können Erkrankungen des Menschen aus praktischer Sicht nicht ausschliesslich an Menschen untersucht werden: Für viele Krankheiten gibt es einfach nicht genügend Testpersonen, um die vielen möglichen biologischen Ursachen eingehend zu erforschen.
Quelle: Reatch
Alle in der Schweiz eingesetzten Labortiere stammen von akkreditierten Lieferanten oder Institutionen. An der EPFL haben wir unsere eigenen internen Zuchtanlagen für bestimmte Nagetiermodelle. Des Weiteren erhalten wir Tiere von akkreditierten Zulieferern, hauptsächlich aus Europa (Frankreich, Deutschland) und, in geringeren Umfang, auch aus den USA, sowie von anderen Universitäten.
Die grosse Mehrheit der Nagetiere, die wir erhalten, sind junge ausgewachsene Tiere im Alter von etwa sechs Wochen. Manchmal erhalten wir auch trächtige Weibchen. Zebrafische stammen meistens von Institutionen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir erhalten dann entweder Eier oder ausgewachsene Fische.
An der EPFL betreiben wir keine Forschung mit Wildtieren und nehmen auch keine Tiere aus ihrer natürlichen Umwelt heraus. Alle Labortiere sind in speziellen Zentren geboren und wurden zu diesem Zweck gezüchtet.
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten und sollte so auch nicht gestellt werden. Die Wissenschaft wird nicht auf der Grundlage dieses oder jenes Versuchsmodells finanziert, sondern nach der spezifischen wissenschaftlichen Frage, die es zu beantworten gilt. Viele biomedizinische Projekte setzen auf eine Kombination unterschiedlicher Ansätze, um die betreffende Frage zu untersuchen. Dabei kommen dann sowohl Experimente an Tieren als auch Verfahren ohne Tierversuche zum Einsatz, die sich gegenseitig ergänzen. So werden zum Beispiel neue Medikamente häufig zuerst an Zell- oder Gewebekulturen getestet, und nur die vielversprechenden Verbindungen gehen dann in den Tierversuch.
In der Schweizer Grundlagenforschung ist der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) der grösste Geldgeber. 2019 steuerte er fast 391 Millionen Schweizer Franken zu Forschungsprojekten auf den Gebieten der Biologie und Medizin bei. Wissenschaftler konnten sich um diese Gelder bewerben – und zwar unabhängig von den von ihnen ausgewählten Versuchsmodellen. Es konnte sich dabei um Verfahren ohne oder mit Tierversuchen oder auch humane Testreihen handeln. In den meisten Fällen kommen bei einem SNF-Projekt jedoch unterschiedliche Versuchsmodelle parallel zum Einsatz. Deshalb gibt es keine SNF-Gelder, die den Tierversuchen «vorbehalten» sind.
Allerdings wird die Entwicklung von Verfahren ohne Tierversuche durch spezielle Finanzierungstöpfe des 3R-Kompetenzzentrums (3RCC) und seit kurzem auch durch ein von der SNF eingeführtes nationales Forschungsprogramm gefördert. Damit geht man auch auf die wachsende Nachfrage nach Forschungsgeldern in diesem Bereich ein.
Ganz generell gilt sowohl im Sektor der öffentlichen als auch der privaten Forschung: Tierversuche werden nur dann durchgeführt, wenn die Erkenntnisse durch Verfahren ohne Tierversuche nicht gewonnen werden können. Darüber hinaus sind tierversuchsfreie Verfahren meistens kostengünstiger und einfacher umzusetzen. Deshalb werden Verfahren ohne Tierversuche auch aus praktischen und ökonomischen Gründen bevorzugt, sofern sie wissenschaftlich genauso signifikant sind wie die Tierversuche.
Quelle: Reatch